Schweigendes Wissen spielt in vielen Feldern von Lernen und Erziehung, Bildung und Sozialisation eine zentrale Rolle. Diese Aussage beruht auf der Annahme, dass relevante Aspekte des Handlungswissens nicht artikuliert, und kognitiv nur in begrenztem Maße zugänglich sind. Dennoch präfigurieren diese Aspekte unsere Präferenzen und Intuitionen, gelingende oder misslingende Lernprozesse, prekäre oder erfolgreiche Lebenskonzepte. Diese Wissensformationen werden als ‚implizites‘, praktisches‘ oder ‚unbewusstes‘ Wissen, als ‚tacit knowledge‘ (Polanyi) oder als ‚knowing how‘ (Ryle) bezeichnet. Mit der zunehmenden Ausdifferenzierung der Lebens- und Arbeitswelten sowie der sozialen und kulturellen Felder gewinnt das in pädagogischen Handlungsfeldern und Institutionen verborgene Wissen zunehmend an Bedeutung. Dieses Wissen liegt weniger in kanonisierter als vielmehr in flexibler, vielfältiger, hybrider und damit – scheinbar – ‚spontaner‘ Form vor. Dies hat Folgen für alltägliches pädagogisches Handeln als auch für seine wissenschaftliche Erforschung. Die Untersuchung des historischen und kulturellen Charakters pädagogischer Praktiken sowie der Zweifel an der Passfähigkeit kognitivistischer Ansätze für die Gestaltung der Praxis führen zu einer Neubewertung praktischen Wissens auch als Basis kognitiver Konstrukte. In den Kultur- und Sozialwissenschaften geht damit ein Bedeutungsgewinn von Begriffen wie Macht, Materialität, Räumlichkeit, Körperlichkeit, Performativität, Visualität, Virtualität einher. Ihren Niederschlag findet diese Entwicklung auch in den entsprechenden ‚turns‘ wie dem ‚material turn‘, dem ‚spacial turn‘ oder dem ‚visual turn‘ etc., die als Einzelaspekte in das vorliegende Handbuch eingegangen sind, aber hier zum ersten Mal unter übergreifender Perspektive integriert werden.