Vorliegender Artikel widmet sich der literarisch höchst produktiven Nahtstelle zwischen privatem Wohnen und öffentlichem Werken und Wirken in zwei Prosatexten von Kafka und Rilke: Ausgehend von Kafkas schmaler Nachbar-Erzählung entpuppt sich die (Denk-)Figur des Nachbarn als vielschichtige Mittlerfigur zwischen aneinandergrenzenden Räumen – insbesondere zwischen zeichenhaft eingerichteten Nachbarwohnungen. Die Verstörung, die von jenem unheimlichen ‚Wesen des Wohnens‛ ausgeht, wird in Kafkas Text anhand eines raffinierten Spiels mit Zahlen und Verdoppelungen gestaltet. Auch in Rilkes Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge wandelt sich die Gestalt des Nahewohners zunächst zum biblischen Nächsten, bevor sie sukzessive in eine subtile Spielart des parasitären Störenfrieds umschlägt. Dieser erweist sich nicht bloß als Erreger (des privaten Ärgernisses), der das Gleichgewicht von wohnen und arbeiten aufs Empfindlichste beeinträchtigt, sondern gleichermaßen auch als wirksames Störmoment in der Textur der literarischen Texte.